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Frauen und die Datenlücken in der Forschung

Frauen sind eben doch keine "kleineren" Männer, auch wenn die weltweite Forschung uns das noch immer gerne glauben lässt!



In diversen Forschungszweigen gilt das männliche Geschlecht nach wie vor als der gängige Standard. Das hat zur Folge das Frauen weiterhin als "Abweichung von der Norm" gelten. Dabei ist mittlerweile schon länger bekannt, dass das Y-Chromosom (männlich: XY, weiblich XX) als das geschlechtsbestimmende Chromosom gilt, während das X-Chromosom, und damit auch das weibliche Geschlecht, dagegen den Grundzustand darstellt.


Doch dieses Verständnis hat es bis heute nicht gänzlich in die Forschung geschafft!


Schlägt man ein Anatomiebuch auf (und glaube mir, ich habe in den vergangenen 10 Jahren so einige durchgearbeitet!) sieht man beinahe ausschließlich männliche Körperzeichnungen. Lediglich in den Kapiteln Gynäkologie, Embryonalentwicklung und Fortpflanzung findet man die ein oder andere Abbildung eines weiblichen Körpers...



Ich möchte meinen heutigen Blogbeitrag daher einigen, teils gefährlichen, Datenlücken widmen.

Frauen haben es verdient, dass sich die Forschung endlich mit ihnen befasst und sie nicht länger als "zu kompliziert für eine Studienteilnahme", als "zu variabel aufgrund der Geschlechtshormone" o.ä. tituliert und damit ausschließt.


Weibliche und männliche Zellen unterscheiden sich!

Bereits auf Zellebene sind mittlerweile Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Zellen festgestellt worden. Doch auf die heutige Studiengestaltung hat das nach wie vor wenig Einfluss. Immerhin ist mittlerweile bekannt, das weibliche Zellen eher regenerativ wirken, während dies für männliche Zellen nicht gilt.


In einem Stammzellenversuch wurden Stammzellen aus Muskelzellen gewonnen und transplantiert. Die weiblichen Stammzellen sorgten dafür, dass sich der Muskel regenerieren konnte, während das bei den männlichen Zellen nicht der Fall war.

Aber: der Versuch ergab zunächst "rein zufällige" Ergebnisse.

Man wunderte sich daher, warum manche Muskeln regenerierten und andere nicht. Erst nach jahrelanger Ãœberlegung fand man heraus, dass der Unterschied beim Geschlecht der Stammzellen zu suchen war!



Und 2016 fand man heraus, dass weibliche Zellen durch die Wirkung des Östrogens auch besser in der Lage sind, bestimmte Viruszellen abzuwehren, während dies den männlichen Zellen nicht so gut gelingt.

Dies liegt vermutlich darin begründet, dass weibliche Körper in der Lage sind Föten/Embryos auszutragen und diese durch ein gut aufgestelltes Immunsystem vor Krankheiten schützen müssen. Die Antikörperbildung von Männern und Frauen unterscheidet sich also, und damit sollte die Vermutung naheliegen, dass es sinnvoll sein könnte auch unterschiedliche Impfstoffe für beide Geschlechter zu entwickeln! Bisher ist das allerdings noch kein gängiger Standard!


Auffällig ist auch, dass Frauen beinahe 80% der Autoimmunerkrankten weltweit ausmachen und ein 3x höheres Risiko als Männer haben, von einer solchen, teils stark lebensqualitätseinschränkenden, Erkrankung des Immunsystems betroffen zu sein. (Quelle:https://theconversation.com/man-flu-is-real-but-women-get-more-autoimmune-diseases-and-allergies-77248)

Auch diese Tatsache scheint also mit einer anderen, in diesem Fall allerdings überschießenden, Reaktion des Immunsystems zusammenzuhängen.


Yentl-Syndrom

"Das Yentl-Syndrom beschreibt das Phänomen der Vernachlässigung von Frauen in Forschung und Therapie aufgrund fehlender wissenschaftlicher Daten." https://flexikon.doccheck.com/de/Yentl-Syndrom

Es führt zu verspäteten, aber teils lebensrettenden Diagnosen, zu Fehldiagnosen und einem (teils Jahrzehnte) andauernden Leidensweg.

Ein bekannteres Beispiel ist der Herzinfarkt, der sich bei (jungen) Frauen nicht über einen "vernichtenden" Brustschmerz äußert, sondern sich stattdessen durch Bauchschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit und Kurzatmigkeit äußern kann.



Und auch die Endometriose, eine Erkrankung die ausschließlich Frauen betrifft, bleibt nach wie vor lange unentdeckt. "Bei Endometriose treten Zysten und Entzündungen (Endometrioseherde) auf, die sich z.B. an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln. In selteneren Fällen kann es auch außerhalb des Bauchraums z.B. in der Lunge zu Endometriosherden kommen. Ihr Gewebe ähnelt dem der Gebärmutterschleimhaut und die Herde können mit dem hormonellen Zyklus wachsen und bluten. Endometrioseherde können – obwohl sie als gutartig kategorisiert werden – metastasieren und bleibende Schäden an Organen verursachen." (Quelle:https://www.endometriose-vereinigung.de/was-ist-endometriose.html) Oft vergehen 8 - 10 Jahre bis die "erlösende", jedoch leider bisher nicht heilbare Diagnose, gestellt wird. Sie ist eine der häufigsten Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch. Dir Forschung lahmt auch hier!


Unzulängliche Untersuchungsmethoden

Darmkrebs gilt als eine typische "Männerkrankheit. Doch mittlerweile konnte durch Studien belegt werden, dass Frauen an anderer Stelle, nämlich nicht im Bereich des Dickdarms/Enddarms (linker Unterbauch) erkranken, sondern bereits in früheren Darmabschnitten (rechter Bauch). Diese Darmkrebsvariante ist aggressiver und bleibt öfter unentdeckt, da Frauen einen engeren und längeren Darm haben. Darmspieglungen erreichen somit des Öfteren nicht den erkrankten Bereich. Stuhluntersuchungen, bei welchen verstecktes ("okkultes") Blut nachgewiesen werden kann, sind bei Frauen öfter unauffällig als bei Männern!

Die Frage nach dem "Warum" bleibt auch hier unbeantwortet.



Nebenwirkungen und Komplikationen

Bei Beipackzetteln werden Nebenwirkungen und Komplikationen gerne nach abnehmender Häufigkeit aufgelistet. Selten bis nie wird dabei auf die unterschiedlichen Häufigkeiten und Verteilungsmuster nach Geschlecht unterschieden und hingewiesen! Des Weiteren gibt es Medikamente, die bei Frauen deutlich besser oder schlechter wirken. Dieser Umstand wird allerdings oft nicht berücksichtigt und/oder häufig nicht näher untersucht, oder es wurden wieder deutlich mehr Männer im Rahmen der Studien untersucht. Somit sind Rückschlüsse auf die Wirksamkeit bei Frauen meist recht schwierig.


Der männliche Patient hat weiterhin eine höhere Priorität in der Forschung

Sildenafil ist ein Wirkstoff, der im Jahr 2013 im Rahmen einer Studie zum Thema "Dysmenorrhoe" (Regelschmerzen) ins Gespräch kam. Mit Sildenafil konnten die Studienteilnehmerinnen dabei eine 4 stündige Schmerzfreiheit, ohne beobachtete Nebenwirkungen, erreichen. Die Studie konnte allerdings nicht weiter verfolgt werden, da die Finanzierung auslief!


Sildenafil ist besser benannt, als Viagra. Es wurde 1989/90 als Herz-Medikament entwickelt und Anfang der 1990er Jahre als solches getestet. Es war als solches nicht so gut geeignet, jedoch bemerkten die rein männlichen Studienteilnehmer, dass es sich positiv auf ihre Erektionen auswirkte! Deshalb wurde diese alternative Einsatzmöglichkeit natürlich wieterverfolgt! 1996 wurde Sildenafil (Viagra) in den USA patentiert und 1998 von der FDA zugelassen!



Erektile Dysfunktionen spielt also in der Forschung eine größere Rolle, als die Regelschmerzen der Frauen. Dabei erreichen Regelschmerzen teilweise ähnliche Schmerzintensitäten, wie ein "männlicher" Herzinfarkt! (Quelle: https://qz.com/611774/period-pain-can-be-as-bad-as-a-heart-attack-so-why-arent-we-researching-how-to-treat-it )


Mit Op's lässt sich gutes Geld verdienen

Nach wie vor wird so mancher Frau dazu geraten, sich die Gebärmutter entfernen zu lassen. Frei nach dem Motto: "was nicht mehr da ist, kann auch nicht mehr weh tun!". Und auch an anderer Stelle wird gerne mal die Op, der "natürlicheren" Variante, vorgezogen.

Forschungsergebnisse zeigten, dass die Gabe von doppeltkohlensaurem Natron eine Stunde vor der Oxytocin-Gabe die Wehentätigkeit so gut unterstützte, dass ein Anstieg von 64% (nur Oxytocin) auf 84% (Natron und Oxytocin) an vaginalen/natürlichen Geburten zu verzeichnen war! Es gibt also einen Zusammenhang zwischen dem pH-Wert des Gebärmutterblutes und der Wehentätigkeit. Je saurer das Blut, desto geringer die Wehentätigkeit und desto höher das Risiko für einen Kaiserschnitt! (Quelle: https://cordis.europa.eu/article/id/122792-trending-science-bicarbonate-of-soda-could-spare-women-in-developing-countries-the-need-and-r/de )

In Entwicklungsländern stellt das kostengünstige Natron also einen absoluten Zugewinn in der Geburtshilfe dar, da Kaiserschnitte dort einen oftmals tödlichen Verlauf nehmen.


Leider wurde die Studie nicht näher verfolgt! Somit konnten die genaueren Natron-Dosen nach Körpergewicht der Mutter und der genaue pH-Wert des Blutes nicht weiter in Korrelation zueinander gesetzt werden!


Ernährung

Das Fehlen geschlechtsdifferenzierter Daten führt auch im Bereich der Ernährung dazu, dass Frauen weniger gut beraten werden können. Frauen sollten z.B. im Alter proteinreicher essen, die genaue Dosis wurde allerdings nie bestimmt!



Sport

Auch im Bereich der Rehabilitation und des Trainings wurden viele Empfehlungen getroffen, die sich eher auf das männliche Geschlecht beziehen! Von Krafttraining bei Bluthochdruck wurde bisher oftmals generell abgeraten, doch mittlerweile hat man festgestellt, dass Frauen von einem Krafttraining hinsichtlich des Bluthochdrucks profitieren. Auch eine Arterienversteifung kann dadurch reduziert bzw. vorgebeugt werden. (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18573479/ )

Männer profitieren dagegen eher von einem reinen Ausdauer-/Cardiotraining. Die Empfehlung bei Bluthochdruck also Ausdauer zu trainieren, gilt nicht generell, sondern lediglich für die Männerwelt. Dennoch ist diese Empfehlung oft der "gängige Standard für Alle"!


Fazit

Du siehst, immer wieder zeichnet sich ein Muster ab und Frauen werden durch Datenlücken, geringere Finanzmittel in der Forschung, die Dominanz an männlichen Studienteilnehmern/Forschern in der Wissenschaft uvm. nach wie vor benachteiligt. Und das gilt nicht nur für den Bereich der Medizin!



MEIN WARUM

Aus diesem Grund möchte ich meinen Beitrag, zumindest in dem Bereich den ich aktiv beeinflussen kann, beitragen. Das ist der Grund warum ich mich der Frauenheilkunde/Frauengesundheit verschrieben habe und diesen Bereich auch in meiner geplanten Praxistätigkeit immer weiter ausbauen möchte!


Auch wenn ich den Fokus in diesem Beitrag auf Datenlücken, die das weibliche Geschlecht betreffen, gelegt habe, gibt es darüber hinaus massive Datenlücken, welche Hautfarbe, Herkunft, Soziale "Schicht" und Alter betreffen!

Doch das alles lässt sich leider nicht in einem Blogbeitrag zusammenfassen. Es besteht daher kein Anspruch auf Vollständigkeit.


PS: Auch über Deine Unterstützung per PayPal freue ich mich sehr! Damit unterstützt Du meine Aufklärungsarbeit hier auf meinem Blog und auf Social Media.


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